Wer bist Du? So ruft es ständig auf allen Lebensebenen. Wer bin ich – also eine dringliche Frage, oft mit schmerzhaften und grenzgängigen Gefühlen verbunden. Um unbehelligt zu bleiben, müsste ein unwissender, loser wie angstbesetzter Bezug am eigenen Selbst das bequeme Leben stetig mit Fluchtbereitschaft versorgen.


    Jede höhere organische Lebensform wurde durch polarliegende Liebesimpulse gezeugt. In seiner materiellen Erscheinung bezeugt ein Organismus seine Existenz, zeigt innewohnenden Lebenswillen und drängt nach individuellem Ausdruck. Im Menschenleben verdichtet sich darüber hinaus ein Selbstbewusstsein, das ein individuelles Mass an Verstand, an Willen und an Handlungsfreiheit aufweist. Die Menschheit in ihrer Masse nimmt dadurch auf den irdischen Lebenslauf einen weitreichenden Einfluss.


    Über sinnesbezogene Wahrnehmungen und dem zentralen, individuellen Gefühls- oder Hellsinn schmücken wir Menschen unser irdisches Leben mit einem subjektiven Wirklichkeitsverständnis. Wir reagieren auf unser Aussen, mit all seinen Einflüssen, meist so, wie der eigene Geschmack von der Wirklichkeit auf uns seinen Schatten wirft. Von der ersten Lebensreaktion an begleiten uns die persönlichen Bedürfnisse. Das reagierende und darstellende Selbst ist in seiner materieller Lebensart recht überschaubar, in seiner Auswirkung als willentliches Ich jedoch zwischen zerstörerisch bis subtil anteilnehmend oft so grenzüberschreitend wie undurchsichtig; die Gesellschaft als Lebensort und Lebensweisen weiss davon zu erzählen. Im guten, sozialen Rahmen voraussichtlich leben hiesse dann: zuerst vor allzu Unverständlichem genügend Abstand halten, die äusseren Einflüsse genau prüfen und hinterfragen, egal wie auch immer ein Angebot daherkommt.


    In materiellen Zustand bleibt organisches Leben fast ausnahmslos unfrei. Körperlichkeit will durch sympathischen Stoffwechsel erhalten bleiben. Diese naturgegebene Zwangslage begleitet, neben einer Unzahl von seelisch-geistigen Ereignissen, die Selbstwahrnehmung. Sie zeigt den Menschen als ein klar bedürftiges Wesen, das zwischen Sympathie und Antipathie in persönlicher Eigenart lebt. Da wechseln sich Empfindsamkeit mit reaktiver Tatkraft ab, Heiterkeit mit Melancholie, Wut mit Verzweiflung; — eben, Selbstdarstellung im persönlichem Mass durch Willens-, Denk- und Gestaltungskraft genauso wie durch Prägung, mit Angst und im Spiegel des Kulturraumes. All die Erfahrung und Verständigung mit Umwelt und Mensch wachsen zu einer Lebenshaltung, zu fest gefügten Überzeugungen und zu einer individuellen Sinngebung zusammen, die dann vielleicht selbstverwaltete Lebensbereiche bescheren. Im Gegensatz dazu zwingen äussere wie innere Lebenssituationen manchmal über materielle Existenzsicherheiten und Selbstgrenzen hinaus zu fühlen, zu denken und zu handeln.

 

    Wir sind durch unser Existenz mitverantwortlich und eingebunden in drei grundlegende Lebens- und Liebesräume: den materiell äusseren, den individuell eigenen und die immaterielle Innenwelt. In diesen drei Räumlichkeiten zeigt und erfüllt sich das individuelle Dasein. Erweist sich die äussere Umwelt als lebensdienlich, wird gegenwärtiges Leben als weitgehend friedlich erfahren. Dann vermag jeder Mensch in direkter Teilhabe leicht seinen Beitrag zum gemeinsamen Lebensreichtum einzubringen und sich im Sinn und Zweck dem Leben zu öffnen. Eine gute Lebensqualität verlangt deshalb aktive Teilhabe am stärkenden, gemeinschaftlichen Tun. Bewusst gepflegte Kontakte entwickeln und entfalten, ja verankern sichere Lebenswerte. Nur im Kontakt zu Menschen kann Nähe und Distanz selbstverständlich verwaltet werden, werden Begegnungen zum lebensdienlichen Grundangebot. In jeder Gesellschaft orientieren, klären und kreieren sich kurzzeitige, wie ebenso tragende Gemeinschaften. Das lebendige Miteinander ermöglicht den wahren Erfahrungs-, Gedanken- und Gefühlsaustausch. Als Steigerung werden herzoffene Begegnungen zur schlichten Vor- und Eingabe.


mit Demut

    Welchen Einfluss nimmt menschliches Kontaktverhalten auf die Kulturräume im jeweiligen Gesellschaftsleben? Wie begegnen sich Menschen über Konvention und Beziehung hinaus verantwortungsbewusst und wohlwollend? Dem Leben dienliche Kontakte, also solche in denen Menschen sich herzoffen begegnen, achten die Formenvielfalt, zeigen Achtung und Respekt füreinander.

    Fundamental hilfreich dient dem individuellen Bewusstsein gelebte Demut. Demut ermöglicht eine kreative Lebensform, die das Dasein bedingungslos in die Gegenwart platziert. Dieser Zustand beschreibt etwas Seiendes, welches vergangenes wie zukünftiges Geschehen von allem Erinnern und negativen Einflüssen befreit. Demut führt zum Mittelpunkt tiefster Verinnerlichung, ist ohne Wille, ohne Bedürfnis, ohne Absicht.

    Der innere Gefühlssinn, also der Grundsinn allem menschlichen Fühlens und Wollens, stellt das individuelle Zentrum jedes Menschen dar. Rein und frei nimmt dort ein schlichtes Nur-Sein wahr, ist – empfänglich – wach – ergeben – hinnehmend. Im zentralen Offen-Sein lebt ein Mensch vom Selbstbezug befreit. Im Individuum übersteigt dieses unbegrenzten Wahrnehmungsvermögens jede Selbstliebe. Dieser, den eigenen Lebensraum übersteigende Lebensmoment, heisst Erfüllung; da kommt und geht Unerhörtes unbeschwert und ohne Nachhall. Diese Lebensoffenheit ist vollkommene Hingabe, bedingungsloses Wahrnehmen, ist Liebesleben von göttlicher Existenz berührt.

Das tiefste Fühlen verschafft jedem Menschen die Mittel zu kreativen Lebensimpulsen. Grosse und freie Gefühle ermöglichen das "Über-sich-hinaus". In dieser Form menschlich reiner Liebe vermag das im Selbst gefangene Fassungslose so zu führen, dass dieses unbenutzt und unberührt den Weg zur göttlichen Gemeinschaft findet; das Innerste durchstösst jede materielle Begrenzung fühlend, schauend, horchend, erspürend, erfahrend, vergebend.

Unser irdisches Lebenswirken verdichtet selbstloses Empfinden zu wachsendem Bewusstsein und drückt sich im individuellen Liebeswerden aus. In den immateriellen, geistigen Raum strömt die eigene Lebensliebe frei zum Absoluten und verdichtet sich wachsend, vielleicht in einer halben Ewigkeit, zur Vollkommenheit hin.

Die absolute Liebe fliesst ewig in allen kosmischen Räume. Sie sammelt und vereint alles Geliebte und alles Liebende in einem unendlichen Segensstrom. Dieser umfassenden Liebesvergabe zu dienen, bildet das tragende Fundament des menschlichen Kontaktlebens. Der heilige Raum der offenen Mitte verhilft zu wirklich liebevollem Kontakt zwischen Menschen und wird zum verbindenden Kreis einer Gemeinschaft.